18. Januar 2023

Klimaproteste in Lützerath:

Streit um Bewertung des Polizeieinsatzes

Nach den Zusammenstößen am Rande der Demonstration gegen die Räumung von Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier ist eine Debatte über die Bewertung des Polizeieinsatzes entbrannt. Aktivisten und die Polizei machen sich gegenseitig Vorwürfe.

Unter anderem sprach Klimaaktivistin Neubauer im ARD-Fernsehen von einem unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz. Neubauer verwies darauf, dass nach Angaben einer Sanitäterin der Demonstranten viele Menschen von der Polizei schwer verletzt worden seien. Den Protest bezeichnete sie dagegen als friedlich. Zuvor hatten auch die Veranstalter der Demonstration und Sprecher der Lützerather Aktivisten der Polizei Gewalt-Exzesse vorgeworfen.

NRW-Innenminister Reul verteidigte dagegen das Vorgehen der Polizei in Lützerath. Die Beamten hätten „hochprofessionell“ gearbeitet, sagte der CDU-Politiker ebenfalls im ARD-Fernsehen. Sollte es Fälle unangemessener Polizeigewalt gegeben haben, werde er sie untersuchen lassen. Zwei Videos im Netz geben aus seiner Sicht Anlass zur Besorgnis. Die werde man sich genau anschauen. Vorsichtshalber habe man bereits Strafanzeige gestellt.

Rainer Wendt: „Einsatz von Schlagstöcken gerechtfertigt“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Wendt. Die Beamten hätten taktisch klug und transparent gehandelt, sagte Wendt im Deutschlandfunk. Zugleich rechtfertigte er die Verwendung von Schlagstöcken. Anders hätte die Menschenmenge nicht zurückgedrängt werden können. Wendt verwies darauf, dass Demonstranten Polizeiketten durchbrochen hätten. Den Vorwurf von Seiten der Aktivisten, Einsatzkräfte hätten systematisch auf Köpfe von Demonstranten geschlagen, wies Wendt als Propaganda zurück. Er forderte die Aktivisten auf, Strafanzeige zu stellen, damit die Staatsanwaltschaft ermitteln könne.

Verletzte auf beiden Seiten:

Am Rande der gestrigen Großdemonstration hatten laut Polizei rund 1.000 großenteils vermummte „Störer“ versucht, auf das abgesperrte Gelände von Lützerath vorzudringen. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray gegen sie ein. Zwölf Personen wurden fest- oder in Gewahrsam genommen. Unter den Beamten habe es mehrere Verletzte gegeben. Nach Polizeiangaben wurden neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstranten sprach dagegen von einer „hohen zweistelligen bis dreistelligen Zahl“ verletzter Teilnehmer. Umliegende Krankenhäuser konnten die Angaben – vor allem zu schweren Verletzungen – laut WDR nicht bestätigen.

Oberirdische Räumung beendet, zwei Aktivisten weiterhin in Tunnel

Gestern war der oberirdische Teil der Räumung abgeschlossen worden. Laut Polizei wurden alle verbliebenen Klima-Aktivisten weggetragen. Um die zwei Menschen in einem selbstgegrabenen Tunnel kümmere sich nun die Betriebsfeuerwehr des RWE-Konzerns, die für eine Bergung unter Tage mehr Expertise habe. RWE geht davon aus, dass der Tagebau im rheinischen Braunkohlerevier Lützerath im März oder April erreichen wird. Der Rückbau des Weilers werde noch acht bis zehn Tage dauern, sagte ein Unternehmens-Sprecher der „Rheinischen Post“.

Am Morgen besetzten Aktivisten nach Angaben von RWE einen Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Hambach. Ein Sprecher sagte, vier Menschen seien seit dem frühen Morgen auf dem Bagger. Dieser habe den Betrieb eingestellt. Die Protestgruppe „Gegenangriff – für das gute Leben“ teilte mit, mit der Aktion wolle man sich mit den Menschen im Dorf Lützerath solidarisch zeige.

Diese Nachricht wurde am 16.01.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

Quelle: 16.01.2023, Klimaproteste in Lützerath - Streit um Bewertung des Polizeieinsatzes | deutschlandfunk.de