03. März 2021

Die DPolG Sachsen-Anhalt fragt nach:

Offener Brief an den Innenminister und Politiker*innen des Landtags von Sachsen-Anhalt

    Sehr geehrter Herr Minister Richter,

    sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Landtages von Sachsen-Anhalt,

     

    aufgrund der Berichterstattung des Mitteldeutschen Rundfunks „So lange braucht die Polizei in Sachsen-Anhalt bis zum Einsatzort“ und einer darauf folgenden Internetrecherche der Drucksachen des Landtags, sind wir mit sehr großem Interesse auf die oben genannte Beantwortung der Landesregierung gestoßen. Demnach müssen wir nunmehr davon ausgehen, dass unser Innenministerium „nicht in der Lage lebt“ und keine Kenntnis darüber hat, wie viele Funkstreifenwagen im Land wann zur Verfügung stehen bzw. zur Verfügung standen. Eine, bitte entschuldigen Sie mir den Ausdruck, grauenvolle Vorstellung. Dies wäre aus unserer Sicht nichts anderes, als eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung! Wir hoffen, dass dem tatsächlich nicht

    so ist!

    In der Beantwortung wird erklärt, dass Polizeiinspektionen selber festlegen wie viele Funkstreifenwagen deren Polizeireviere rund um die Uhr zu stellen haben. Wenn dem so ist, halten wir diese Vorgehensweise für bedenklich, wenn die Personalzuweisung ausschließlich durch das Innenministerium selber erfolgt. Wir gehen davon aus, dass Polizeidirektionen bzw. deren nachgeordnete Dienststellen, nur so viele Funkstreifenwagen einsetzen können, wie sie auch Personal dazu zur Verfügung haben. Die Forderung aller Polizeiinspektionen und deren nachgeordneten Dienststellen nach weiterem Personal gegenüber dem Innenministerium soll ungebrochen groß sein. Dies kann nur bedeuten, das die Dienstposten der Schutzpolizei, aber auch die der Kriminalpolizei, in Größenordnungen nicht besetzt sind. Ihnen als Parlamentarier steht es frei, hierzu eine separate Anfrage zu stellen.

    Unberührt dessen wurde in der Beantwortung mitgeteilt: „In den Polizeiinspektionen erfolgt keine einheitliche Erfassung von statistischen Daten zu der Besetzung von Streifenbereichen.“ Da nunmehr erklärt Informationsdefizite vorliegen, regen wir umgehend eine einheitliche Erfassung der Pflichtdienststreifen an.

    Ebenso wurde mitgeteilt: „Generell erfolgt pro Dienstschicht eine händische Erfassung der im Pflichtdienst zur Verfügung stehenden Funkstreifenwagen im zuständigen Lage- und Führungszentrum der Polizeiinspektion.“ Das heißt, dass Unterlagen vorliegen, die, warum auch immer, zur Beantwortung der Fragen offensichtlich nicht herangezogen wurden.

    Ein Abgeordneter des Landtages von Sachsen-Anhalt, dessen Partei Mitglied der regierungsbildenden Koalition ist, stellte in seiner Funktion der Landesregierung Fragen. Dies mit dem Hintergrund einen Zustand zu erfahren, um im Nachgang erforderliche Maßnahmen einzuleiten, die einen möglichen misslichen Zustand beheben. Insofern ist es für uns nicht hinnehmbar, dass mit dieser Beantwortung bei Vielen der Eindruck erzeugt wurde, dass es kaum bis gar keine Probleme bei der Besetzung der Funkstreifenwagen in Sachsen-Anhalt gibt. Der Hinweis: „Für das Jahr 2020 wurden die Zielvorgaben in allen Landkreisen und kreisfreien Städten erfüllt.“ erscheint mehr als fragwürdig und zeichnet das tatsächliche Ausmaß des vorhandenen personellen Missstandes ganz sicher nicht annährend ab. Die benannte Zielerfüllung kann nicht darin bestehen, dass jedes Polizeirevier lediglich einen Funkstreifenwagen bereitstellen konnte. Polizeireviere sind nach der Größe und Fläche der Landkreise bzw. kreisfreien Städte gegliedert. Demnach hat jedes Polizeirevier eine relativ große Fläche mit zum Teil über 200.000 Menschen zu betreuen. Die Sicherheit haben die Reviere im eigenen Zuständigkeitsbereich vollumfänglich zu gewährleisten. Mit diesem Wissen sollte jeder erkennen, dass alleinig die Zielerfüllung lediglich einen Funkstreifenwagen pro Streifenkreis zu stellen, keine Sicherheit im eigentlichen Sinn zur Folge haben kann. Nicht auszudenken, wie eine größere polizeiliche Einsatzlage mit nur einem Funkstreifenwagen hätte bewältigt werden sollen.

    Nach den uns vorliegenden Informationen gibt es weitere Dokumentationen, aus denen man ableiten kann, wie viele Funkstreifenwagen an welchem Tag und zu welcher Schicht zum Einsatz kamen. Diese sind beispielsweise:

    • Dienstpläne, welche die Dienstplaner der Dienststellen monatlich erarbeiten

    • Aufzeichnungen der Arbeitszeiterfassung im Programm „Zeus“, die über Monate hinweg für jeden Polizeibeamten abrufbar sind

    • Aufzeichnungen des erst vor wenigen Jahren eingeführten Einsatzleitprogrammes, in dem alle eingesetzten Funkstreifenwagen landesweit disponiert werden

    Damit ist festzustellen, dass es gleich mehrere Möglichkeiten zur Auswertung gibt, die zur Beantwortung hätten herangezogen und ausgewertet werden könnten. Das Innenministerium sollte darüber Kenntnis haben, da es genau diese Dokumentationssysteme zur Personalplanung selber eingeführt hat. Demnach halten wir die Beantwortung der Landesregierung für unzureichend.

    Aus nunmehr gegebenen Anlass regen wir an, eine Aufstellung des Monats Januar 2021 zu erstellen, in der im direkten SOLL-IST Vergleich ersichtlich ist, wie viele Funkstreifenwagen gestellt werden sollten und tatsächlich zum Einsatz kamen. Dies untergliedert nach der jeweiligen Schicht (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht, ...) und für alle Dienststellen, die Funkstreifenwagen zu besetzen haben. Eine solche Aufstellung gäbe, zumindest nach unserer Auffassung, erstmals ein klares und aktuelles Lagebild darüber, wie groß das Personalproblem innerhalb der Landespolizei tatsächlich ist. Damit könnte anschließend eine neue Personalbedarfsplanung vorgenommen werden. Es wird vom Willen des Parlaments abhängig sein, ob es zu einer Aufstellung kommen wird.

    Wir denken, dass es zu einer effektiven Personalplanung gehört, dass voll einsatzfähiges Personal zur Verfügung stehen muss. In diesem Zusammenhang heraus wäre eine Information über die Anzahl der nicht voll einsatzfähigen Polizeibeamten*innen des Landes hilfreich. Viele Polizisten sollen aus medizinischer Sicht nicht mehr vollumfänglich einsetzbar sein. Es soll Einschränkungen, wie beispielsweise Verbote zur Nachtschichtarbeit, Dienstwaffen zu tragen, Funkstreifenwagen zu fahren u.v.m. geben.

    Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert und aussagekräftig, wenn Abgeordnete*innen des Landtags von Sachsen-Anhalt von ihrem Recht Gebrauch machen und Polizeidienststellen besuchen, um dort nicht nur mit den Dienststellenleiter*innen, sondern viel mehr auch mit den operativ tätigen Polizisten*innen in Kontakt zu kommen. Hierbei könnten neben Fragen des Personalbestandes auch zum baulichen Zustand der Dienstgebäude, Beförderungslage, Mitarbeitermotivation gestellt werden. Eigene Feststellungen sagen oftmals mehr als tausend Worte.

    Wenn Sie, die Politiker*innen im Landtag das Personalproblem der Polizei lösen wollen, dann müssten Sie dafür Sorge tragen, dass der Polizeiberuf wieder attraktiv wird. Das ist er momentan nicht. Es fehlt an flexiblen Arbeitszeitregelungen, an renovierten Dienstgebäuden, an der Mitarbeitermotivation und an einem ordentlichen Beförderungskonzept. Schlussendlich ist auch darauf hinzuweisen, dass derzeit nur ein Teil des ehemaligen „Weihnachtsgeldes“ gezahlt wird, das Urlaubsgeld abgeschafft wurde, das Pensionseintrittsalter angehoben ist, keinen dienstlicher Rechtsschutz gewährt wird, es keine vor Kälte schützenden Uniform gibt, aufgrund der besonderen Anstrengungen keine Corona-Sonderzahlung gewährt wird und die derzeit gezahlte Polizei- und Schichtzulage in ihrer Höhe nicht angemessen und auch nicht ruhegehaltsfähig ist. Dies ist nur ein Teil unseres Forderungspaketes gegenüber der Landesregierung, bei dem die Umsetzung bereits mehrfach mit fehlenden Geld begründet wurde. Jetzt, nachdem 138 Mio. Euro für die im Jahr 2020 nicht ausgegebenen Personalkosten der Landesverwaltung zurück gegeben wurden, ist Geld vorhanden. Wir können nur anraten das Thema der Sicherheitspolitik nicht länger stiefmütterlich zu behandeln und mit der Abarbeitung der oben genannten Punkte zu beginnen. Andernfalls gehen wir davon aus, dass die Polizei mit der Wirtschaft nicht länger konkurrieren kann, die Bewerberzahl sinkt und das vorhandene Personalproblem nicht gelöst und steigen wird.

    Nicht unerwähnt möchten wir hier noch die mit Objektschutzmaßnahmen gebundenen 100 Polizeibeamten wissen, die im Falle einer Einführung eines Objekt- und Wachschutzdienstes oder der Vergabe an einen privaten Wachschutz die prekäre Situation entlasten könnten. Dieses Schreiben nutzen wir gleichzeitig um klarzustellen, dass aus unserer Sicht Herr Innenminister Richter diesen Zustand nicht verursacht hat, da er erst vor wenigen Wochen das Innenressort übertragen bekam. Die Ursachen hierfür wurden bereits vor vielen Jahren gesetzt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Olaf Sendel

    Landesvorsitzender der DPolG
    Landesverband Sachsen-Anhalt

    Hier gibt es den Offenen Brief als PDF.

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